Die friesische Wald
& Wiesenroute/Die Leeuwarden – Lauwersland Route
Vorwort:
Dieser Reisebericht hat mittlerweile natürlich historischen Wert und spiegelt
nicht die aktuellen Gegebenheiten wider.
Freitag
Eine
Woche habe ich nun auf einem Segelboot verbracht, einer gecharterten Wibo 830.
Natürlich mussten wir das Ijsselmeer befahren, das uns relativen Neulingen
gleich zeigen musste, wer bei der Konfrontation Mensch gegen Mitwelt der Sieger
bleiben würde. Das Ijsselmeer zeigte jedoch Gnade und lies uns nach einer
Stunde Kampf in einen sicheren Hafen entkommen. Seitdem haben wir sehr viel
Respekt, sowohl vor diesem großen Binnensee, als auch vor der niederländischen
Bootsbaukunst.
Wir,
das waren Jutta, Werner, Andreas und Ich, mussten das Schiff am Freitag in
Terkaple wieder abgeben und ein wirklich abwechslungsreicher Urlaub ging zu
Ende. Ich hatte aber vorher schon geplant, das nun folgende Wochenende für
einen weiteren Bootstörn zu nutzen.
Meine Freundin Eva, die vernünftigerweise ihr Studium sehr
ernst nahm, konnte aus diesem Grund nicht an unserem Segelabenteuer teilnehmen.
Für uns blieb aber noch der Wochenendausflug
mit dem eigenen Boot, einer Shetland Family Four, die ihren Heimathafen in Drachten
hat.
Nach
der Übergabe der Wibo bei „Maran Yachtcharter“ fuhren wir gemeinsam nach
Drachten, was für meine Freunde auf dem Rückweg ins heimatliche Münsterland keinen
großen Umweg bedeutete. Im „Jachthaven De Drait/Buitenstvallaat“ angekommen
half mir Werner dabei, das Schiff aus der Box zu holen und an den „Boulevard“
zu legen.
Das ist ein großer Anlegesteg, auf der einen Seite mit Boxen für die
Charterflotte und auf der anderen Seite mit Liegeplätzen für Gäste. Zum bequemeren
Be- und Entladen der Schiffe ist der „Boulevard“ mit dem PKW zu befahren und
bietet am Ende einen Wendeplatz. Strom, Wasser und eine Absauganlage für den
Fäkalientank, Pflicht in naher Zukunft, runden das Bild ab.
Nahe bei steht das
Hafengebäude mit Toiletten und Duschen und einem Aufenthaltsraum für Gäste.
Gleich dahinter findet man die Tankstelle für Benzin und Diesel, die auch am
Wochenende geöffnet ist. Die besonders sportlichen Wasserenthusiasten können
hier auch Kanus mieten und eine Tour durch kleine und stillgelegte Kanäle
unternehmen.
Der „Jachthaven De Drait“ liegt einige Kilometer außerhalb von
Drachten, in De Wilgen, daher ist es schwierig, möchte man hier seine Bordvorräte
ergänzen. Allerdings können sie hier auch Fahrräder mieten, sofern sie keine an
Bord haben, oder den kostengünstigen Taxiservice in Anspruch nehmen. Eine
Busverbindung ist ebenfalls vorhanden, leider wird diese Strecke nur ein paar
Mal am Tag bedient.
Wir
haben das Boot festgemacht und ich verabschiede mich von meinen Freunden mit
dem Wunsch auf eine gute Heimfahrt. Beim anschließenden Telefonat teilt mir Eva
mit, dass sie gegen 20 Uhr eintreffen wird. Ich verspreche ihr, „klar Schiff“
zu machen, sie glaubt jedoch, „ich säße bestimmt wieder auf dem Fahrersitz und
tränke Bier!“ Dieses Klischee wollte ich aber nicht zur Wahrheit werden lassen.
So kramte ich diverse Putzmittel aus der Backskiste und wollte just bei der
Außenhaut unseres Bootes anfangen, da überraschte mich ein Regenschauer.
Schnell flüchtete ich nach Innen und setzte dort meine Aktivitäten fort. Die
Kühlbox war noch nicht auf Touren gekommen, so entfiel das Argument für einen
flüssigen Temperaturtest. Der Regen verzog sich langsam und ich baute meine Putzutensilien
wieder auf dem Steg auf.
Zwischendurch habe ich mich dann irgendwo
„festgesabbelt“, schließlich begann es wieder zu regnen. Was tun? Innen war
alles sauber, außen nichts zu machen. Also riss ich mir endlich eine Dose Bier
auf, als genau in diesem Moment Eva auf den „Boulevard“ gefahren kam. Was bot
ich ihr für einen Anblick? „Ich wusste es“, war der erste Satz, als sie aus dem
Wagen stieg. Aber eigentlich wollte sie bei mir keine Schuldgefühle
provozieren, sondern war eher darüber erfreut, wie gut sie mich doch kannte.
So
wuchtete ich erst einmal ihre umfangreiche Ausrüstung an Bord, mit
Kleidungsstücken für alle Wetter und alle Gelegenheiten. Gegen 21 Uhr lagen wir
bereits im Tiefschlaf. Sie war gestresst vom Lernen, Ich erschöpft von diesem intensiven
Segeltörn.
Samstag
So
ausgeschlafen haben wir uns selten gefühlt, als wir an diesem Morgen aus der
Koje krochen. Den schönen Spätsommertag begannen wir mit Duschen und
anschließendem Kaffeekochen.
Letzteres hatte etwas von Camping – Atmosphäre,
denn wir benutzten einen Wasserkocher, den wir hier ohne weiteres an den
Landstrom anschließen konnten, ohne dass die Sicherungen rausflogen.
Einige
Häfen sind ja bekanntlich etwas knauserig mit ihren Amperestunden. Sicherlich
gibt es auch 12 Volt Kaffeemaschinen, sofern sie genug Geduld aufbringen
können, auf das Ergebnis zu warten.
Ohnehin ist unsere AVALON, bedingt nur ihre
Maße von 5.35m x 2.08m, recht spartanisch ausgerüstet. Die Kajüte bietet
ausreichend Platz für zwei Schlafplätze und einer Reihe von Reisetaschen. Die
Frage nach der Stehhöhe erübrigt sich in diesem Fall. So ist der eigentliche
„Wohnraum“ die Plicht, mit L – förmiger Sitzbank und darunter viel Stauraum, wo
sich u. a. Tank und Batterie befinden. Der Vorbesitzer hatte den Fahrersitz auf
eine selbstkonstruierte Backskiste gesetzt, wir haben dort schließlich noch
einen Schubladencontainer eingebaut. Äußerst praktisch für die Vielzahl an
Utensilien, die man während eines Törns mitführt, vom Besteckkasten über
Trockentüchern bis zu Ersatzzündkerzen. An Backbord hatten wir ursprünglich
einen Beifahrersitz geplant, dort finden nun aber Kühlbox, Grill und
Rettungsring Platz. Die Windschutzscheibe scheint, verglichen mit anderen
Shetlands aus dieser Baureihe, auch nicht original zu sein, denn sie ist etwas
höher, wodurch das Boot ein wenig klobiger wirkt. Der Vorteil ist aber, dass
dadurch die Persenning mehr Höhe bietet, ergo ein paar Zentimeter mehr
Lebensraum. Anfangs hatten wir noch ein Chemie – WC an Bord, das wir aber nie
benutzten, weil ein ganz ordinärer Eimer es zur Not auch tat. Motorisiert sind
wir mit einem „Volvo Penta“ Außenborder mit 51,4 Kw (70
PS) – ich weiß, viel zu groß für niederländische Binnengewässer, aber der war
nun einmal hintendran. Abgesehen davon habe ich lieber manövrierfreundliche 70
PS, als mit einem untermotorisierten Segelschiff bei Wind und Welle von vorne
keine Fahrt mehr über Grund zu machen.
Wir
haben uns noch nicht direkt auf eine Route geeinigt und fahren erst einmal die
Tankstelle an. Als ich einkupple, gibt es plötzlich einen leichten Ruck und ich
kann den Gashebel nicht weiter nach vorne bewegen. Vielleicht hat sich nur
irgendwas verklemmt, aber ich tippe auf den Bowdenzug für das Getriebe. So
schleichen wir zur Tankstelle und begutachten den Schaden. Es war besagter Zug
und das passierte uns nun schon zum dritten Mal. Das erste, allerdings sehr
unangenehme Erlebnis damit hatte Eva, als sie in eine Schleuse einfahren wollte
und der Gaszug riss. Folge davon war, dass in diesem Moment das Boot langsam aber
bestimmt in Gleitfahrt ging und wir so in die Schleuse einrauschten. Aufstoppen
ging auch nur mit Vollgas rückwärts und die Restfahrt wurde durch die
Schleusenmauer abgebremst. Das kostete aber nur eine verbogene Ankerrolle.
Ein
Nachteil etwas älterer Außenbordmotoren ist natürlich die Ersatzteilbeschaffung
und wir wussten, dass uns in diesem Fall die fleißigen Monteure von De Drait auch
nicht weiterhelfen könnten. Aber wozu ist halb Friesland schließlich ein
Ersatzteillager? So setzten wir uns in den Wagen und fuhren nach Grou, denn
dort kannten wir die Motorenwerkstatt „De Schiffahrt“, die ausnahmslos alle
Typen reparierten. Auch wenn wir ein nicht ganz passendes Teil bekamen, denn es
gab nur noch Züge für Innenborder, so ließ es sich mit ein wenig Geschick und
Improvisation ohne weiteres einbauen. Hätte, muss ich betonen, denn ich
versuchte Schrauben zu lösen, die gar nicht zu lösen waren. Schließlich musste
ich (erfreut!) eingestehen, dass Eva in diesem Fall ein wenig geschickter war,
denn es gelang ihr, den Bowdenzug sachgemäß an der Fernschaltung zu befestigen.
Um hier nicht ganz zu versagen, gab ich mir beim Anschluss an den Motor
besondere Mühe. Eine anschließende Probefahrt verlief zu unserer Zufriedenheit
und wir hatten letztendlich auch Glück, dass dieses Malheur im Hafen passiert
ist und nicht z.B. mitten auf dem Heeger Meer.
Es
war bereits später Nachmittag und Eva schlug vor, nach Dokkum zu fahren.
Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden gewesen, nur hatte ich die passende
Wasserkarte nicht mitgenommen, da sie sich oft darüber lustig machte, dass ich
sämtliche Karten der Niederlande mitschleppen würde, inklusive der
„Nordwestdeutschen Binnenwasserstraßen“(!) So bekam ich wieder ein Beispiel
weiblicher Überredungskunst (nicht zu verwechseln mit Rhetorik), als sie mir
damit schmeichelte, ich würde doch die Gewässer Frieslands auswendig kennen.
Nun waren wir aber noch nie in Dokkum, die grobe Route war mir aber präsent.
Die
Sonne stand schon tief als wir ablegten und zauberte intensive Farben in die
Landschaft.
Nach
der Hafenausfahrt über die Niewe Drait bogen wir nach Steuerbord ein und
gelangt direkt in einen kleinen See, entstanden durch Sandgewinnung. Geradeaus
liegt der Industriehafen von Drachten, der mit ca. 43000 Einwohnern zweitgrößten
Stadt Frieslands.
Wir
queren den See und biegen, vorbei am kleinen Yachthafen De Steven, Richtung
Norden in die Opeinder Vaart ein. Nach knapp 2 Km auf diesem stillen Kanal
erreichen wir das Dorf Opeinde, das am Wassertourismus nicht so sehr zu
partizipieren scheint. Vorab sei noch erwähnt, dass die Durchfahrtshöhe auf
2.30m begrenzt ist, bedingt durch die festen Brücken in diesem Ort (Die
Gemeinde plant, die drei festen Brücken in der kommenden Saison auf 3.35m zu
erhöhen). Außer zwei Anlegemöglichkeiten, zum einen direkt vor dem Bäcker, zum
anderen an der ehemaligen Milchfabrik, hat Opeinde nicht viel zu bieten. Muss es
auch nicht, denn manchmal ist man sicherlich froh, den sich selbst auferlegten
Besichtigungsstress einmal nicht praktizieren zu müssen. Ich bin schon zufrieden
mit dieser idyllischen Ortsdurchfahrt.
Die
Opeinder vaart endet in dem See De Leijen und hier sollte man sich genau an die
Betonnung halten und dabei noch möglichst in der Mitte fahren. Selbst wir mit
unserem geringen Tiefgang haben uns hier fast schon einmal die Schraube
ruiniert, denn der Untergrund ist sehr hart. Einen entsprechenden Warnhinweis
finden sie daher auch in der Karte. Das weitere Fahrwasser heißt De Lits und
nach einem Kilometer liegen wir vor der beweglichen Brücke in Eastermar. Im
„Almanak“ ist die Öffnungszeit bis 20 Uhr vermerkt, ein Schild an der Brücke
nennt 19 Uhr als letzte Bedienung und darauf sollte man sich auch einstellen.
Aufgrund der falschen Angabe hatten wir ein Jahr zuvor die Nacht an einer
Kuhwiese verbracht, zusammen mit ein paar Freunden, die sich eine BM – Jolle
gechartert hatten. Das war allerdings nicht weiter tragisch, denn wir hatten
auf jeden Fall eine Menge Spaß.
Ich
gebe kurz Signal und schon erscheint der Brückenwärter, wohl erfreut über ein
wenig Abwechslung. Beim Durchfahren überreicht er uns ein kleines Heft mit
touristischen Informationen über diese Region mit dem kaum auszusprechenden
Namen Tytjerksteradiel.
Eastermar
hat einmal dadurch etwas Bekanntheit erreicht, als die Restaurierung des
Dorfkerns im historischen Glanz derart kunstvoll erfolgte, dass diese landesweit
preisgekrönt wurde.
Gute
Anlegemöglichkeiten findet man hier im Yachthafen De Lits, u. a. mit
Campingmöglichkeit, einem Zubehörladen und einer Werkstatt.
Das
Bergumer Meer ist schon ein ganz ordentlicher See, durch dessen oberes Drittel
der Prinses Margriet Kanaal verläuft. Auch hier ist das sichere Fahrwasser
ausgewiesen, wir verlassen jedoch die Betonnung, da auf dem südöstlichen Teil
des Sees keine Geschwindigkeitsbegrenzung herrscht für Boote bis 1,5m3
Wasserverdrängung. Vor erreichen des vielbefahrenen Prinses Margriet Kanaal
gehen wir wieder in Verdrängerfahrt, kreuzen diese Wasserautobahn und fädeln
uns in die Kuikhornster vaart ein. Das Bergumer Meer ist touristisch kaum
erschlossen und so findet man dort nur eine Ferienanlage mit einem kleinen
Yachthafen, der aber Passanten keine Liegemöglichkeit bietet. Vielleicht wird
sich dieser Zustand in naher Zukunft ebenso ändern, analog den Maßnahmen am
Tjeukemeer, wo kleine Inseln aufgeschüttet werden mit entsprechenden
Anlegestellen und diverse Untiefen beseitigt werden. Die Aktivitäten der Segler
konzentrieren sich in der Hauptsache auf das Sneeker- und Heeger Meer und in
dieser Region wäre noch richtig Platz.
Von
weitem erkennbar sind schon die hohen Schornsteine eines Elektrizitätswerkes,
das durch sein Kühlwasser das Bergumer Meer relativ schnell erwärmt. Das nun
folgende Teilstück bis zur Kreuzung östlich von Driesum, besitzt eine Länge von
13 Km und ist auch für Schiffe mit höheren Aufbauten bis ca. 2.80m befahrbar.
Die Tiefe des Kanals von ungefähr vier Metern hat allerdings nichts mit der
Schifffahrt zu tun, sondern mit der Entwässerung des Hinterlandes hin zum
Lauwersmeer. Daher sollte man mit merklicher Strömung rechnen, ebenso kann der
Wasserpegel um einige Dezimeter variieren. Achten sie daher auf die Pegelmesser
an den Brücken.
Wir
passieren den Yachthafen Zwartkruis, nahe der Ortschaft Noord Bergum. Auch hier
wird kräftig erweitert mit der Anlage eines neuen Parks für Chaletwohnwagen.
Restaurant, Campingplatz und Charterbetrieb runden das Bild dieses gemütlichen
und ruhigen Hafens ab.
Erstaunlich
ist die große Zahl von Anglern längst dieser Strecke und wir reduzieren daher
oft unsere Geschwindigkeit auf Schritttempo, um uns hier nicht unbeliebt zu
machen. Die Landschaft ist im Wesentlichen agrarisch geprägt, ab und zu unterbrochen
von kleinen Heidegebieten.
Eine
weitere Möglichkeit, seine Fahrt zu unterbrechen, bietet auch der Yachthafen ´t
Eibertsnest, nahe des Dorfes Zwaagwesteinde, mit guten Versorgungsmöglichkeiten.
Nun hätten wir uns fast doch noch verfahren, hätte Eva mich nicht auf ein
Straßenschild aufmerksam gemacht, das den Weg Richtung Dokkum wies. Die
Kreuzung mit der Stroobosser trekvaart liegt direkt hinter einer Brücke und ist
relativ unscheinbar, da die Kanäle hier ein ganzes Stück schmaler sind.
Geradeaus geht es weiter nach Dokkumer Nieuwe Zijlen und dort durch die
Schleuse auf das Lauwersmeer. Über Steuerbord gelangt man, an Kollum vorbei,
wieder zum Prinses Margriet Kanaal, der im weiteren Verlauf seinen Namen in Van
Starkenborgh Kanaal ändert und in Folge Friesland Richtung Groningen verlässt.
Der
direkte Weg nach Dokkum über die Stroobosser trekvaart ist durch einen Damm versperrt,
daher knickt der Kanal nach ca. 3 Km noch einmal über Steuerbord ab und wir
finden uns auf dem Dokkumer Grootdiep wieder. Nun ist die nördlichste Stadt der
Niederlande erreicht. Wir sichten im Vorbeifahren schon einmal mögliche
Liegeplätze und die erste Gelegenheit wäre, von Osten kommend, der „Jachthaven
W.V. Dokkum“.
Vor der Stadt teilt sich das Fahrwasser und bietet Booten mit
einer Durchfahrtshöhe weniger als 2.45m und einem Tiefgang bis 1m die
Möglichkeit, direkt in die Stadtgracht einzufahren. Über Backbord läuft man in
die Zuidergracht ein, die eigentliche Ortsdurchfahrt, mit zwei beweglichen
Brücken und weiteren Liegeplätzen am Ufer. Wir entschließen uns, die
Woudpoortsbrug zu durchfahren, die zügig geöffnet wird, denn es haben sich
bereits einige Yachten dort versammelt. Der Brückenwärter bedient auch die
beiden folgenden Brücken, daher wird man sich auf kleine Wartezeiten einrichten
müssen. Direkt hinter der Brücke entdecken wir den passenden Anleger für uns,
denn dort besteht die Möglichkeit, Landanschluss zu legen. Außerdem sichten wir
ein Toilettenhäuschen. Zwischen zwei großen Yachten ist noch sechs Meter Platz
und als ich mit Schwung in diese Lücke fahre, kommen die beiden Skipper schon
von Bord gesprungen, weil sie wohl ein Unglück befürchten. Als ich etwas
ähnliches bei einem anderen Törn noch einmal probieren wollte, ist dabei die
Scheuerleiste gebrochen, trotz Fender. Nun, so kommt man auch mit seinen
Bootsnachbarn ins Gespräch.
Von einem (Rentner-) Ehepaar erfuhren wir, dass sie
die eine Hälfte des Jahres mit ihrem Boot in den Niederlanden unterwegs sind
und die andere Hälfte irgendwo im Süden verbringen. Diese Art, seinen Lebensabend
zu verbringen, ist hier häufiger anzutreffen. Und einige bemerken dabei nicht
ohne Wehmut, sie wären lieber jünger und beweglicher und hätten dabei ein
kleines Schiff ohne sonderlichen Komfort, als doch mit einigen Nachteilen des
Alters leben zu müssen.
Dokkum,
mit seinen rund 15000 Einwohnern, liegt doch ein wenig abseits, als das die
Touristen in Massen hierhin kommen würden. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts
war der Ort noch eine richtige Hafenstadt, gelegen an der Middelzee, und Sitz
der friesischen Admiralität. In der heutigen Stadtgracht befand sich der
lebendige Seehafen und man kann sich heute kaum vorstellen, dass hier einst
Großsegler und Kriegsschiffe anlegten. Die Seeschleuse stellte die Verbindung
mit dem Binnenland her, wurde aber 1729 überflüssig mit dem Bau der Schleuse
Dokkumernieuwezijlen. Mit der Eindeichung der Middelzee, vormals ein großes,
zusammenhängendes Gewässer, an dem auch z.B. Leeuwarden und Bolsward lagen,
verlor der Ort seinen Status als Hafenstadt. Die friesische Admiralität
etablierte sich daraufhin in Harlingen. Eine andere historische Begebenheit
darf nicht unerwähnt bleiben.
Einst
weilte hier zum ersten und auch letzten Mal der angelsächsische
Benediktinermönch Bonifatius, der seit 716 das Christentum in Friesland,
Hessen, Thüringen und Bayern predigte und 722 in Rom zum Bischof geweiht wurde.
Anno 754 wurde er nahe Dokkum erschlagen, aus welchem Grund entzieht sich dem
Chronisten. Diese Tat machte die Stadt aber zu einem Wallfahrtsort. Seine
Gebeine liegen heute im Dom zu Fulda.
Dokkum
wurde errichtet auf zwei Terpen (Hügeln), die das Stadtbild immer noch
charakteristisch prägen. Auch findet man noch Reste der ehemaligen Befestigungsanlage,
datierend aus 1583, mit hohen Wällen und sternförmigen Bastionen. Auf einem
dieser Wälle an der Zuidergracht stehen heute zwei große Windmühlen, mit Namen
„De Hoop“ (1849) und „Zeldenrust“ (1862), die auch zu besichtigen sind. Ein
Besuch wert ist auch das ehemalige „Admiraliteitshuis“, heute Heimatmuseum,
sowie das Naturkundemuseum und der Bonifatiuspark im Südosten von der
Woudspoortbrug.
Am
heutigen Tag wird in Dokkum ein großes Kinderfest veranstaltet und zahlreich
sind die Attraktionen für den Nachwuchs. Unter anderem findet auch ein Wettlauf
mit Rollschuhen bzw. Inline – Skates statt und wir haben in der Plicht unseres
Bootes sozusagen einen Logenplatz. Abends lockt ein Musikfestival die Besucher,
nur können wir uns nach dem Genuss einer exorbitant großen Pizza kaum noch
bewegen. So verbringen wir den Rest des Abends an Bord, schön gelegen unter
herabhängenden Weiden.
Sonntag
Die
Rückfahrt nach Drachten soll heute über Leeuwarden erfolgen. Uns interessiert
die Dokkumer Ee, denn die Hauptstadt der Friesen haben wir nun schon einige
Male besucht.
Wir
sind wieder einmal spät aus der Koje gekommen und so verpassen wir den ersten
Konvoi, der sich Richtung Leeuwarden in Bewegung setzt. Mit der nächsten
Öffnung der Woudspoortbrug schließen wir uns den durchfahrenden Schiffen an.
Vor der nächsten Brücke müssen wir dann eine Zeit warten und machen erst einmal
fest. Der Brückenwärter hat bekanntlich mehrere Brücken zu bedienen und kümmert
sich vorrangig um den Ansturm in der Stadt selber. Nach ungefähr einer halben
Stunde können wir unsere Fahrt fortsetzen und befinden uns nun auf der 22 Km
langen Dokkumer Ee, die ihren Ursprung als Fluss nicht verheimlichen kann, so
windet sie sich durch die Wiesen und Felder.
Als wir uns der Klaarkampsterbrug
nähern, wird diese sogleich geöffnet, ohne dass wir Fahrt wegnehmen müssen.
Dazu ist die Bedienung auch noch gratis. Dahinter findet man an Backbord einen
Marrekrite Liegeplatz und genau gegenüber führt ein kleiner Stichkanal Richtung
Holwerd, von wo aus die Fähren zur Nordseeinsel Ameland verkehren. Dieser Kanal
ist in der Wasserkarte rosa eingefärbt, was ihn als Nebenfahrwasser
kennzeichnet. Mit einer Wassertiefe von ca. 90 Zentimetern und einer
Durchfahrtshöhe von 2.25m wäre er für uns befahrbar, doch fehlt uns für dieses
Experiment leider die Zeit. Ebenso für die Erkundung weiterer Stichkanäle, wie
die Hallumer-, Finkumer-, und Stienser (trek-) vaart. Der Reiz dieser Kanälchen
liegt in der abgelegenen Ursprünglichkeit und der Unberührtheit vom „weißen“
Tourismus.
Wir
erreichen den kleinen Ort Birdaard. Schon von weitem erkennbar ist das typisch
niederländische Motiv in Gestalt der Mühle „De Zwaluw“, von der es in dieser
Region noch einige gut erhaltene Beispiele gibt. Wir müssen einige Minuten auf
den Brückenwärter warten, dann bekommen wir für vier Gulden freie Fahrt durch
die beiden beweglichen Brücken. 13 Kilometer sind es noch bis Leeuwarden und
bei der erlaubten Geschwindigkeit von 9 km/h werden wir es vor dem Mittag wohl
nicht mehr schaffen.
Der Dokkumer Ee parallel verläuft nun die Straße von
Birdaard nach Bartlehiem, das wir nach weiteren drei Kilometern in gemächlicher
Fahrt durchqueren. Hier hätten wir nun die Möglichkeit, über die Oudkerkstervaart
einen Abstecher nach Aldtsjerk zu machen und von dort aus via Ouddeel
Leeuwarden nordwestlich zu umfahren. Wir möchten heute aber wieder einmal in
den Genuss der romantischen Ortsdurchfahrt kommen und behalten daher unseren
Kurs bei. Über Bartlehiem gibt es nicht viel zu berichten, außer das die
dortige Finkumer- und Oudkerkstervaart Teil der „Elf – Städte – Tour“ sind, die
ja bekanntlich auf Schlittschuhen ausgetragen wird, sofern das Eis trägt.
Die
nächsten Brücken werden uns erst wieder in der friesischen Hauptstadt erwarten,
denn um hier die Dokkumer Ee zu überqueren, sind zwei Fährverbindungen
eingerichtet.
Das
erste, was wir von Leeuwarden zu sehen bekommen, sind große Wohnhäuser, heute
tituliert als Bausünden der sechziger Jahre. Langsam fahren wir in die Stadt
ein und da an der Eebrug ohnehin Mittagspause ist, nutzen wir die Zeit und
fahren die einige hundert Meter vorher gelegene Tankstelle an, um den Durst
unseres Motors zu befriedigen. Dann legen wir uns zu den anderen Yachten in
Wartestellung. Gegen 13 Uhr signalisiert uns die Ampel mit Grün über Rot, dass es
nun Zeit wird, die Motoren zu starten. Das Ablegen der vielen Schiffe, die sich
hier mittlerweile versammelt haben, verläuft sehr gesittet, wobei dem kleinen
Frachtschiff natürlich Vorfahrt gewährt wird. Dummerweise fädeln wir uns genau
dahinter ein und bekommen etwas Probleme mit seinem Schraubenwasser.
Wir
entrichten unsere zehn Gulden und damit sind auch alle weiteren Brücken
bezahlt. Vor der Biegung zur Noorderbrug sehen wir dann auch zu, etwas mehr
Abstand zu gewinnen, denn das Fahrwasser ist hier relativ eng und der Kollege
von der Berufsschifffahrt muss entsprechend manövrieren.
Praktischerweise
bekommen wir aber auch immer sofort Durchfahrt und müssen nicht die
entgegenkommenden Schiffe abwarten. Wir befinden uns nun in der
Noorderstadsgracht und der Beginn des Prinsentuins, ehemals Lustgarten der
friesischen Statthalter, lädt mit baumbeschützten Liegeplätzen zum Verweilen
ein. Das nicht nur Pisa seinen berühmten schiefen Turm hat, wird deutlich am
Beispiel des Oldehove Turms.
Dieses vierzig Meter hohe Gebäude wurde nie
fertig gestellt, da sich während der Bauphase von 1529 bis 1532 der Boden absenkte.
Wir fahren weiter durch die Gracht, Steuerbord das pulsierende Leben dieser
90000 Einwohner zählenden Metropole, Backbord die Ruhe und Beschaulichkeit des
Parks.
Die folgende Vrowenpoortsbrug liegt wiederum hinter einer Biegung und
wird ebenso zügig bedient. Die folgende Westerstadtsgracht öffnet den Blick auf
moderne Glasfassaden hoher Bürogebäude, gepaart mit Wohnschiffen alternativer
Lebensplanung. Mit der Verlaatsbrug ist der schönste Abschnitt dieser
Durchfahrt bereits vorbei, denn das letzte Stück auf der Harlingertrekvaart
führt durch ein Industriegebiet.
Wir biegen über Backbord in den Van Harinxmakanaal
ein, einer breiten Wasserstraße, die jedoch bei weitem nicht so stark befahren
ist wie z.B. der Prinses Margriet Kanaal. Es geht weiter, vorbei an einem ausgedehnten
Industriegebiet, wobei die andere Seite des Kanals von Landwirtschaft geprägt
ist. Hätten wir nun noch ein paar freie Tage und wollten zurück zu den
friesischen Seen, dann würden wir jetzt eine Route ausprobieren mit Namen
Zwette und Sneeker Trekvaart. Der Name verrät schon das Ziel. Alle Schiffe,
denen eine Durchfahrtshöhe von ca. zwei Metern ausreicht, hätten hier die
Gelegenheit, über einsame Wasserwege bis nach Sneek zu fahren, wobei man dort
im Yachthafen De Domp herauskommt. Eine weitere Möglichkeit wäre, das Sneeker
Meer anzufahren, oder auch Grou von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen.
Nun gut, das behalten wir uns für die Zukunft vor.
Ungefähr
sieben Kilometer führt uns der Van Harinxmakanaal an der südlichen Peripherie
von Leeuwarden vorbei und über das Lang Deel erreichen wir die ersten Ausläufer
von Wartena, in Form einer großen Schiffswerft. Dort werden schon Kreuzer beachtlichen
Ausmaßes gebaut. Der Ort jedoch ist so klein, dass man ihn nicht unbedingt
besichtigen muss, denn alles Wesentliche sieht man vom Wasser aus. Kurz vor der
Brücke findet man an beiden Seiten Passantenliegeplätze mit einem kleinen
Sanitärgebäude. Ebenso gibt es einige Plätze vor dem Cafe „De Brigantijn“,
direkt an der Brücke. In der Saison ist hier aber selten ein Platz zu finden.
Den gibt es dafür reichlich im großen Yachthafen von Wartena, der sich gut als
Ausgangspunkt für kurze Törns zum Princenhof eignet.
Und
genau dorthin führt auch unsere weitere Route, nachdem wir die Basculebrug im
Ort passiert haben. Bei Kilometer 51.5 kreuzen wir den Prinses Margriet Kanaal
und kommen über die Lange Sloot in das Naturschutzgebiet Alde Feanen, besser
bekannt als Princenhof. Dieses, durch den Abbau von Torf entstandene
Wasserlabyrinth, ist im Sommer und an den Wochenenden leider völlig überlaufen.
Brennpunkt dieses Ansturms ist dabei sicherlich Earnewald, das mit der
Ferienanlage „It Wijd“ mächtig expandiert hat. Für die „große“ Pause bietet
sich das Hotel - Restaurant Princenhof an, das auch Anlegemöglichkeiten
bereithält. Möchte Mann/Frau einmal die Skipperverantwortung abgeben, so ist es
sehr entspannend, auf eines der Ausflugsschiffe umzusteigen, um „warm und
trocken“ dieses Revier kennen zu lernen. Wir bleiben im zum Teil betonnten Fahrwasser
und erreichen schließlich über Wijde- und Smalle Ee wieder unseren Heimathafen
De Drait/Buitenstvallaat. |