Von Kampen bis Arnhem. Warum nicht umgekehrt?
Das haben wir uns spätestens gedacht, als in Bergfahrt hinter
Doesburg unser englischer Kanalkreuzer mit immer höherer
Strömung zu kämpfen hatte. Aber beginnen wir von vorne.
Im Jahre 2003 besuchten wir, meine Frau Eva und
der Autor dieser Zeilen, zum ersten Mal Zwolle. Wir verbrachten
einige Tage im Passantenhafen Rodetorenplein direkt im Zentrum.
Die Schönheit dieser historischen Metropole machte uns neugierig
auf die übrigen Hansestädte an der Gelderse Ijssel.
Im Sommer 2004 konnten wir unsere Überlegungen in die Tat
umsetzen. Von unserem Liegeplatz im friesischen Drachten fuhren
wir in der ersten Woche bis Kampen. Als wir gegen 14 Uhr den
Oude Buitenhaven erreichten hatten wir Glück, den letzten freien
Liegeplatz zu bekommen.
Es war Juli und es war Hochsaison.
Kampen
Die malerische Stadt an der Gelderse Ijssel
besitzt 10 Yachthäfen. Im Oude- bzw. quasi gegenüber im Niuwe
Buitenhaven liegt man sehr zentral. Allerdings ist der Verbleib
aus unerfindlichen Gründen auf 2 Tage begrenzt. 2003 konnten wir
die Kamper Kogge besichtigen, die im Oude Buitenhaven liegt.
Es handelt sich hierbei um die Replik eines Handelsschiffes aus
dem Jahr 1336. Das Wrack wurde auf einem trocken gelegten Polder
gefunden und mithilfe der Stiftung Kamper Kogge nachgebaut.
2004 befand sich das Schiff auf der historischen Ommelandvaart
via Schweden, Dänemark und der Ostsee.
Zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert entwickelte
sich Kampen zu einer der mächtigsten Hansestädte. Zeugnis davon
geben die rund 500 Denkmäler.
Besonders eindrucksvoll die drei erhaltenen Stadttore und
natürlich die Ijsselkade mit den imposanten Großseglern und
einigen schwimmenden Restaurants.
Ein maritimes Großereignis darf nicht unerwähnt bleiben, nämlich
die Sail Kampen, die jedes Jahr im April stattfindet.
Am 25. Juli, um 9.30 Uhr, verlassen wir Kampen
und machen die heutige Etappe abhängig vom Wetter, denn es hat
sich wieder einmal Regen angekündigt.
Das Revier
Die Gelderse Ijssel ist ein fließendes Gewässer.
Zu rechnen ist mit einer Strömung von 4-5 km/h vom Abzweig des
Pannerdenskanaal bei Kilometer 879 bis 2 Km/h hin zur Mündung
ins Ketelmeer.
Allerdings sind diese Angaben abhängig vom Wasserstand.
Sobald der Rhein mehr Wasser führt, ist davon
über den Pannerdenskanaal auch die Ijssel betroffen. Und es
hatte viel geregnet die letzten Wochen.
Ein wenig Erfahrung sollte man auch mitbringen,
besonders im Hinblick auf die Berufsschifffahrt, die ab dem
Abzweig Twentekanaal enorm zunimmt.
Gegen den Strom fahrende Berufsschiffe, die so genannten
Bergfahrer, nutzen so weit wie möglich die Innenbuchten, da sie
dann mit weniger Gegenströmung zu kämpfen haben.
Diese Absicht signalisieren sie dem Talfahrer
durch eine blaue Tafel mit weißem Funkellicht.
Das heißt, sie wünschen die Begegnung steuerbord an steuerbord.
Abgeladene Schiffe wiederum (die sind beladen, denn sonst wären
sie gelöscht!) nutzen oft die Außenkurven, da sie dort mehr
Wasser unterm Kiel haben.
Zu Tal fahrende Berufsschiffe haben übrigens Vorfahrt, da sie
aufgrund der Strömung schlechter manövrieren können.
Die Berufsschiffer fahren für Geld und ich für
mein Vergnügen!
Und mit viel Vergnügen passierten wir bei
Kilometer 980 Zwolle. Wer direkt in die Innenstadt fahren
möchte, der nutzt den Zwolle-Ijsselkanaal, ansonsten finden sich
gute Liegeplätze im Passantenhafen Katerveer hinter der Schleuse
gleichen Namens.
Als wir dort vorbeikamen bemerkte ich, dass die
Schleuse ständig von Rot auf grün umschaltete. Das
Schleusenpersonal wollte aber nicht die Signalanlage testen
sondern uns und andere Schiffe einladen, den Hafen zu besuchen.
So fängt man Touristen!
Das Boot
Unser Schiff ist eine Hampton Safari 25. Warum
die Werft diesen skurrilen Namen für ihren englischen
Kanalkreuzer gewählt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Bevor wir es in Haskerdijken (bei Heerenveen) kauften, versah
das Boot viele Jahre ihren Dienst in der Carterflotte von Crown
Blue Line.
Das knapp acht Meter lange Hausboot bietet zwei
Personen reichlich Platz und wird von einem 40 PS Perkins Diesel
angetrieben, womit die Rumpfgeschwindigkeit erreicht wird. Die
hatten wir später auch nötig.
Alle Gleiter haben auf der Ijssel weniger
Probleme, denn auf dem Großteil des Flusses existiert keine
Geschwindigkeitsbeschränkung.
Besonderes Entzücken und Jubelrufe verursacht es, wird man von
einem Halbgleiter überholt, der einem die Inneneinrichtung
endlich neu sortiert.
Es begann wie angekündigt zu regnen und wir
bogen schließlich nach nicht ganz vierstündiger Fahrt über
steuerbord in den Apeldoornskanaal ein.
Dieser kleine Stichkanal führte uns in den Jachthafen von Hattem.
Wer heute einen Rundgang durch diesen Ort
unternimmt, findet noch viele Erinnerungen an die Zeit, in der
Kessel mit kochendem Öl, Kreuzbogen, Kanonen und Hellebarden auf
den Stadtwällen bereit standen, um die Feinde außerhalb der
Mauern zu halten.
Das pittoreske Bild zog Anfang 1900 eine Reihe von Malern an,
unter ihnen Jan Voerman und Anton Pieck, denen jeweils ein
Museum gewidmet ist.
Der folgende Tag brachte nicht nur Sonnenschein
sondern uns auch zum Recreatiepark De Scherpenhof bei Kilometer
952.
Die Ferienanlage grenzt an den Nationalpark De Hoge Veluwe und
bietet dem Besucher vielfältige Aktivitäten.
Um 6.30 Uhr bereits durchfahren wir die sich
langsam auflösenden Nebelbänke vorbei an der prachtvollen
Wasserfront von Deventer mit dem größten Büchermarkt Europas.
Wir grüßen den Fährmann, der unermüdlich Pendler
in die erwachende Stadt bringt und setzten unseren Kurs fort
vorbei an der Abzweigung des Twentekanaals bis zum Marshaven
kurz vor Zutphen.
Der Hafen grenzt an ein Industriegebiet ist aber trotzdem
idyllisch gelegen. Wir nutzen die Gelegenheit für einen
Tankstopp und konstatieren, dass wir uns bereits in der Provinz
Gelderland befinden.
Zutphen begrüßt uns mit einer prachtvollen
Ijsselkade mit stattlichen Kaufmannshäusern und markanten
Türmen. Der stimmungsvollste Liegeplatz ist sicherlich der
Vispoorthaven im Zentrum dieser geschichtsdurchdrungenen
Hansestadt.
Vorbei an Dieren und einem abgeschlossenen
Nebenarm der Ijssel mit einigen modernen Marinas, erreichen wir
gegen 15 Uhr den Passantenhafen Doesburg.
Von der Epoche mittelalterlicher Hanseglorie in
die dunkelsten Zeiten des vorigen Jahrhunderts.
„A bridge too far“ war für die Alliierten Truppen 1944 der
Übergang über den Neder Rhijn im Zuge der Operation „Market
Garden“ bei Arnhem.
Am 28. Juli 2004 wurden wir in der Hauptstadt
Gelderlands freundlich empfangen im Hafen vom R & ZV Jason.
Als wir am folgenden Tag Kurs auf Wijk bij Duurstede nahmen,
durchfuhren wir in Gedanken versunken die John Frostbrug,
ehemals Schauplatz dieser Katastrophe, heute - so hoffe ich -
auch Symbol der Verständigung.
Fazit: Eine beeindruckende Zeitreise vom
Mittelalter zur Moderne.
Navigation:
ANWB Wateratlas D Gelderse Ijssel, in der
jeweils aktuellen Ausgabe