Saison 2010

 

Vierzehn Tage vorher: Wir hatten uns am Wochenende schnuckelig im Schiff eingenistet und alle wichtigen Karten hervorgeholt. Parallel dazu lohnt natürlich immer ein Blick ins ELWIS, dem elektronischen Wasserstraßen-Informationsservice der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Dort von besonderem Interesse sind die Nachrichten für die Binnenschifffahrt. Zeitnah erfährt man alles über Sperrungen, Behinderungen, Wasserstandsmeldungen usw. natürlich auch über den Nautischen Informationsfunk (sofern natürlich UKW-Funk an Bord vorhanden ist).
Wir planten eigentlich, eine "schöne große Runde" zu drehen, sprich über Dortmund-Ems-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal, anschließend den Rhein zu Tal und dann direkt Richtung Gelderse Ijssel. Im Hinblick auf die Art unseres Schiffes wurde uns aber von mehreren Seiten von dieser Törnvariante abgeraten. Auch die Internet-Törnberichte anderer Rheinfahrer ließen nicht unbedingt eine Kaffeefahrt vermuten. Nun ja, den DEK abwärts und dann links abbiegen ins Land des "Kibbeling met Patat" (Ganz und gar nicht abwertend gemeint!!!) bereitet neben dem kulinarischen Reiz (ich vergaß Kip-Kerry und Kip-Saté Salat, Bitterballen, Frikandel Special usw.) auch eine kleine Erinnerungstour. 1995 sind wir mit unserem ersten eigenen Boot namens AVALON von Linken-Hanekenfähr ins niederländische Kanalnetz vorgestoßen (siehe Törnbericht) und kamen bis Wildervanck. Genau diese Strecke wollten wir nun noch einmal mit LANCELOT befahren und natürlich noch ein wenig weiter kommen als wir es vor 15 Jahren geschafft hatten.

Nun werden wir die gute Seele Manfred verlassen. Es ist Samstag, der 04. September und wir haben das Boot zum beladen und zum bunkern an die Tankstelle verholt.

Ein Anleger mit Seitensteg ist natürlich enorm praktisch, um z. B. 20 Paar Schuhe an Bord zu wuchten, von denen jeder nur 2 Paar benötigt hat. Eins war nass, eins kaputt. Oder kistenweise Socken, die man weder essen noch trinken kann. Im Hängeschrank hatte wir die Garnitur vom Schlafanzug bis zum Empfang beim Bundespräsidenten.

Sonntag, 05. September. Noch einen flotten Kaffee aus der Skippertasse und bei angenehmen Temperaturen raus auf den Dortmund-Ems-Kanal mit Ziel Riesenbeck. Wie man sieht, bin ich echt urlaubsreif.

Unter den Wohnmobilisten hat sich der Stellplatz am Dortmund-Ems-Kanal in Riesenbeck schon längst herumgesprochen. Unterhalb der Lazarusbrücke, gegenüber des Kanalhafens und des Gewerbegebietes Postdamm, gibt es die Möglichkeit, das Fahrzeug kostenlos abzustellen und von dort aus die Stadt Hörstel und Umgebung kennenzulernen. Die Stellplätze sind kostenlos und verfügen sogar über einen Stromanschluss, der mit einem Euro gefüttert werden möchte. Für unser Schiff sind die Spundwände allerdings zu hoch und der Schwell der Berufsschifffahrt ist enorm. Besser einen Kilometer weiter fahren. Dort lagen wir im Jahr zuvor. Die Spundwände sind niedriger und die Berufsschifffahrt fährt langsamer, da sich an beiden Seiten des Kanals Liegeplätze für die Berufsschifffahrt befinden und sich am "nassen Dreieck" die Abzweigung des Mittellandkanals befindet.
Das „Nasse Dreieck“ entstand 1916 in Bergeshövede mit dem Bau des Mittellandkanals, der hier an den Dortmund-Ems-Kanal anschloss. Der Dortmund-Ems-Kanal wurde von 1892 – 1899 gebaut und von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Der Bau des Mittellandkanals wurde 1905 freigegeben. Die Freigabe war von der Bevölkerung mit Spannung verfolgt worden: Endlich stand fest, dass die Kanalverbindung nach Hannover bei Bergeshövede vom Dortmund-Ems-Kanal abzweigen und damit das „Nasse Dreieck“ entstehen sollte. Es ist bis heute ein wichtiger Knotenpunkt in der Binnenschifffahrt.

Am Sonntag kamen meine Eltern zu Besuch. Von Rheine aus schnell zu erreichen. Das rechte Foto ist noch ein Dokument des Ausbaus des DEK. Während unserer Überführung in 2006 gerieten wir noch mitten in die Bauarbeiten. Ansonsten: Europa ist überall!

Der Skipper mit Mama.

Gemütlicher Sonntagsauslang: Kleine Tour durch Riesenbeck und Kaffee an Bord. Als Kinder haben wir (Bruder Wolfgang und Ich) viele Teilstrecken des Hermannsweges mit unseren Eltern bewandert. Lohnt sich heute natürlich immer noch.


Wenn auch noch nicht ganz vollendet. Ein paar aktuelle Fotos vom Innenleben der LANCELOT.

Bild links: Das Bad ist durchaus geräumig.
Bild oben: Ein Hausboot eben.

Wer Interesse an den Details hat, kann gerne noch einmal unter dem Link "Renovierung" nachschauen. Mit meinem Arbeitsplatz bin ich sehr zufrieden (Das gilt übrigens auch für meinen tatsächlich aktuellen bei der DAA in Osnabrück.)

Fazit: Optimale Nutzung des vorhandenen Raums mit den technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts.

Am Montag, den 6. September, absolvierten wir die sechs Schleusen (Bevergern, Rodde, Altenrheine, Venhaus, Hesselte und Gleesen), wobei wir anfangs vor Bevergern in Ermangelung geeigneter Wartemöglichkeiten zwei Stunden rumkreuzen mussten. Einige Dalben waren schon von weiteren Sportbooten belegt, den Rest nutzte die Berufsschifffahrt. Anschließend kamen wir recht zügig voran, waren aber erst am frühen Abend im Lingener Stadthafen. Am nächsten morgen setzten wir die Reise fort und erreichten nach den Schleusen Varloh, Meppen und Hüntel den recht neuen Yachthafen von Haren, wo wir während des ersten Törns in diesem Jahr drei Tage verbracht hatten und anschließend wieder umkehrten.
Dieses Mal erwartete uns ein besonderes Ereignis, das aber nicht weiter befeierte wurde. Wir waren nämlich die 1000. Besucher und erhielten vom Hafenmeister eine Lage "Harener Pünten Trüffel" sowie eine inhaltsreiche Flasche namens "Harener Emspünte". Letztere hatte dann bis Veendam den Behälter gewechselt! An diesem Tag konnte sich auch niemand um die Ehre kloppen, denn wir waren die einzigen Gäste im Hafen.

Sehr lecker als einzelne Mahlzeit wie auch in Kombination.


Der Haren-Rütenbrock-Kanal

Der 13,5 Kilometer lange Haren-Rütenbrock-Kanal ist nördlich des Rheins die einzige Verbindung zwischen dem deutschen und niederländischen Kanalnetz. Er zweigt bei Haren vom Dortmund-Ems-Kanal ab und verläuft nordwestlich in Richtung niederländischer Grenze. Dort schließt er an den Ter-Apelkanaal an. Auf der Strecke sind zehn Brücken (jeweils fünf Klapp- und Drehbrücken) sowie  vier Schleusen zu passieren, die von der Leitstelle auf der Schleuse 1 in Haren (Ems) ferngesteuert werden. Die Durchfahrt kostet jeweils 2 Euro und ist an der Schleuse Haren fällig. Die Fahrt dauert ungefähr 2 Stunden und man hat so gut wie keine Wartezeiten vor den Brücken und Schleusen. Wir machten uns am Mittwoch, den 8. September auf den Weg.

Der Kanal entstand von 1870 bis 1878 als Teil des linksemsischen Kanalnetzes mit einer Wassertiefe von 1,80m und einer Sohlbreite von 8,50m. Neben dem Gütertransport für Schiffe mit 200 Tonnen Tragfähigkeit, diente der Kanal der Entwässerung der Moore. Längs des Kanals sind über 100-jährige Alleen aus Stieleichen, die bereits während der Bauzeit gepflanzt wurden. Der gesamte Kanal mit den meisten Bauwerken und Alleen steht unter Denkmalschutz.

Der "Ostfriesenspieß", die A31, überquert hier den HRK. Ansonsten eine ruhige und idyllische Fahrt.

Alle Brücken und Schleusen sind videoüberwacht. Das Straßenschild teilt uns mit: Gleich sind wir in den Niederlanden. Wir sind bereits bei den Kollegen aus Holland angemeldet worden, die für uns noch zwei Brücken und eine Schleuse bedienen werden bis zum Yachthafen "De Runde" in Ter Apel. Nach einer kurzen Wartezeit vor der ersten Brücke in den Niederlanden ging es dann auch umgehend weiter. In der "7e verlaat" (verlaat = Schleuse) werden die durchfahrenden Schiffe registriert, allerdings sehr formlos.

In der "7e verlaat". Ein Ast hatte sich zwischen die Schleusentore geschoben, so dass wir noch einmal wieder zu Berg geschleust wurden, damit das Hindernis beseitigt werden konnte.

Seit unserem letzten Besuch in 2006 hat sich einiges verändert. Das "Havenkantoor" ist nun fertig gestellt mit kleiner Kneipe und den üblichen sanitären Einrichtungen. Ein besonderer Service ist übrigens ein Elektrowagen, den man sich kostenlos leihen kann, um damit z. B. seine Einkäufe zu transportieren.

Wem die Durchfahrtshöhe zum Hafen nicht ausreicht, der findet direkt am Ter Apelkanaal einen langen Steg mit Strom, Wasser und Fäkalienabsaugstation.


Ter Apel
Die Ortschaft Ter Apel liegt im Norden der Niederlande in der Provinz Groningen und ist das größte Dorf der Gemeinde Vlagtwedde. Der Ort ist aus dem 1465 gegründeten Kloster "Domus Novae Lucis" hervorgegangen. Dieses Kloster ist sehr sehenswert und kann teilweise besichtigt werden.

Hier trifft der Ruiten Aakanaal auf den Ter Apelkanaal. Auf der Rückfahrt werden wir diese (Selbstbedienungs-) Brücke noch passieren. Im Bild rechts sieht man einen kleinen Bunker, von denen man eine ganze Reihe entlang der Kanäle findet. Diese Kasematten wurden 1939 errichtet und fanden als MG-Bunker Verwendung im Rahmen der so genannten "Q-line Defence" zwischen Delfzijl und Hoogeveen.

Donnerstag, 9. September. Um 8 Uhr beginnt die Arbeitszeit des Bedienpersonals der Brücken und Schleusen. Wir hatten uns für die weitere Fahrt Richtung Stadtskanaal um 9 Uhr vor der nächsten Brücke verabredet. Vorher bunkerten wir noch Trinkwasser am eben erwähnten Steg. Entlang der Kanäle finden sich eine Reihe hübscher Hausboote, allerdings scheint die Immobilienkrise oder was auch immer auch hier zugeschlagen zu haben. Vieles ist "te koop" oder steht einfach nur leer.

Wir bewegen uns nun weiter auf dem Ter Apelkanaal, der anschließend übergeht in den Musselkanaal mit gleichnamiger Stadt. Dort werden wir dann von einer anderen Bedienmannschaft übernommen. Das klappt hervorragend.

Musselkanaal ist erreicht. Hier findet man viele Anleger entlang des Kanals wie auch im Yachthafen "Spoordok".
Die Fahrt geht die ganze Zeit durch bebautes Gebiet. Da gibt es viel zu sehen.
In der "6e verlaat" am Musselkanaal.

Die andere Motoryacht aus unserem kleinen Konvoi legt zwischendurch noch einen Tankstopp ein. Das Bedienpersonal war informiert, wir warteten eben. Alles kein Problem, wir haben ja Urlaub.

Schnurgerade zieht sich hier der Kanal durch die Groninger Landschaft, gesäumt von leicht oxydierten Anglern und kreativen Schiffsumbauten.

Noch im Morgendunst die Einfahrt in die "5e verlaat".
Auch das Filmen gehört zu den Aufgaben des Skippers.
Bei dem geringen Schleusenhub kann man das Schiff auch schon mal festmachen.

Das war die letzte Schleuse für das (motorisierte) Bedienpersonal aus Musselkanaal. Weiter geht es nach Stadtskanaal, wo wir heute übernachten werden.

Das Ortsschild verrät es. Noch ein paar Brücken und wir finden einen schönen Platz vor der "Eurobrug" mitten in der Stadt.
Immer wieder schöne Architektur am Wasserrand. Wer mag sich das heute noch leisten können?

In Ter Apel waren wir natürlich schon in einen Supermarkt eingefallen, um uns mit allen Sauereien zu versorgen, die bei uns nicht in den Regalen stehen. Heute gibt es eine Schöpfung aus Bitterballen mit Loempias. War das geil!

Unser Liegeplatz vor der (Ein-) Eurobrug. Hier gibt es Strom und sanitäre Einrichtungen. Den Schlüssel dafür bekommt man vom Brückenwärter. Wir sind übrigens vom vorherigen Bedienpersonal angemeldet worden, so dass ein Platz für uns frei war. Abends spielten wir nach langer Zeit mal wieder "Carcassonne", das Spiel, das nur an Bord so richtig Spaß macht.
Als nächste Etappe stand Veendam auf dem Programm. Die Strecke ist nicht minder schön und die Brücken und Schleusen werden ebenso perfekt bedient, nur Fotos haben wir nicht gemacht.

So freuten wir uns in Veendam auf den spontanen Besuch von Bärbel und Horst aus Erkelenz, die wir während unseres ersten Törns 2010 in Haren kennen gelernt hatte. Sie fuhren anschließend weiter nach Berlin und machten anschließend in Münster-Gelmer fest, wo wir sie besuchten.
Übrigens sind wir mit unserer AVALON im Jahr 1995 nur bis Wildervanck gekommen, also "kurz vor" Veendam.


Veendam
Im 19. Jahrhundert war Veendam ein wichtiges Zentrum der Binnenschifffahrt. Etwa 300 Seeschiffe (!) hatten in Veendam und dem Nachbarort Wildervanck ihren Heimathafen. Die umliegenden Ländereien eignen sich besonders zum Anbau von Industriekartoffeln. Das führte zur Gründung der Kartoffelmehl und -stärkefabrik Avebe.

Samstag, 11. September. Über den "A. G. Wildervanckkanaal" und das "Winschoterdiep" nach Winschoten, dem nördlichsten Punkt unserer Reise.

Hier geht's lang. In den letzten Jahren sind viele Kanäle in den Niederlanden neu entstanden oder wieder reaktiviert worden. Einige davon möchten wir in Zukunft natürlich auch noch befahren.
Die sogenannte Blauestad ist ein neues Wohngebiet in der niederländischen Region Ost-Groningen, etwa zwischen den Orten Winschoten, Midwolda, Oostwold, Finsterwolde und Scheemda. Die Stadt gehört zur Gemeinde Oldambt und ist Teil des Blaue-Stadt-Projektes, das in erster Linie der Wirtschaft in der Region, die als Teil von Ost-Groningen gilt, einen wirtschaftlichen Ruck geben soll.
Das Gebiet besteht aus ca. 1500 Häusern mit Flächen von 700 bis 7400 m² verteilt auf fünf separate Wohnbereiche.
Rund um das Wassergebiet von Blauwestad finden sich viele touristische Unternehmen und Erholungsmöglichkeiten, darunter Restaurants, Hotels, Bed & Breakfast-Unterkünfte, Teestuben, Geschäfte, Campingplätze, eine Pitch & Putt-Bahn, ein Forellenteich, Galerien und Museen.
Am 12. Mai 2005 eröffnete Königin Beatrix die Wasserzufuhr. Im Frühjahr 2007 wurden die ersten Häuser um den künstlichen See fertig gestellt und von den Bewohnern bezogen. Auf der derzeit aktuellen Wasserkarte A ist das Gebiet bereits verzeichnet. Durch eine Schleuse bekommt man Zugang zu der Wasserfläche, die etwas die Größe des Sneeker Meeres besitzt.

Vom Winschoterdiep zweigt der Kanal "de Rensel" ab, der uns nach einer letzten Brücke in den Yachthafen von Winschoten bringen wird.

Winschoten
Winschoten ist nicht nur das Versorgungs- und Verwaltungszentrum der Gemeinde Oldambt, sondern auch ein Zentrum der Karton- und Verpackungsindustrie. Der Philips-Konzern hat eine Glasfabrik in der Stadt. Außerdem gibt es eine kleine Schiffswerft und einige kleine Fabriken von Maschinenteilen. Größte Sehenswürdigkeit der Gemeinde Winschoten ist das "Rosarium", ein herrlicher Rosengarten im Stadtpark von Winschoten. Von Juli bis in den August hinein verbreiten 300 Rosen ihren Duft und zeigen ihre Farben. Bei jedem Rosenbeet wird der Name der Rose sowie der Züchter erwähnt, so dass der Besucher für den eigenen Garten eine Auswahl treffen kann.

Einfahrt in den Yachthafen "De Rensel". Wir wurden sehr freundlich empfangen. Nur der Landstromautomat nahm so viel Geld, als hätten wir einen Flugzeugträger daran angeschlossen.

Bärbel und Horst hatten in einem Hotel in Veendam übernachtet und kamen kurz nach unserer Ankunft per PKW nachgereist. Da wir gerne mit dem Schiff nach Delfzijl gefahren werden, dieses aus Zeitgründen allerdings verwerfen mussten, konnten wir unseren Wunsch zumindest mit dem Wagen erfüllen.

Der "Plattegrond" von Winschoten. Horst macht derweil den Jeep klar.
Die große Tasche muss erst einmal raus aus dem Wagen, damit 4 Personen Platz finden.

Delfzijl

Auch wenn die Stadt zum shoppen einlädt (die Frau jedenfalls), zog es uns mehr zu den Fischbuden hin.


Während die anderen im Café entspannten, konnte ich schon einmal neue Freundschaften schließen.
Wassersportler treiben sich eben gerne in Häfen rum...
Der Dollart vermittelte ein wenig Nordsee-Feeling.
Auf Stelzen gebaut und mit grandioser Aussicht über den Dollart: Das Fischrestaurant unseres Vertrauens "De kleine Zeemeermin".
Besitzt auch viel Atmosphäre: Der Binnenhafen von Delfzijl.
Vor 20 Jahren durfte ich bei Eva anlegen. Und ich bin immer noch gut festgemacht...

Sonntag, der 12. September war komplett verregnet, bis auf einige sonnige Abschnitte am Abend. Bärbel und Horst waren gestern wieder zurückgefahren, da aufgrund einer Sportveranstaltung alle Hotelzimmer in Winschoten ausgebucht waren. Wir blieben an Bord und begannen den Tag mit einem royalen Frühstück. Dann hat unsere Satellitenschüssel mal geschaut, ob es ein paar neue Astra-Satelliten gibt. Auf Astra 23 (eigentlich Astra 3A und 3B) kann man nun auch ein paar niederländische Regionalsender empfangen. Da wissen wir, was um uns herum los ist und können außerdem unsere rudimentären Sprachkenntnisse ergänzen.

Bild links: Außerhalb unseres Mikrokosmos tobte das böse Leben. Der Montag brachte uns wieder kurzfristig Sonne und einen schönen Törn ins Mittelalter. Dann wollen wir doch mal schauen, was der böse Bischof von Münster mit der Festung Bourtange veranstaltet hat.

Auf dem Winschoterdiep. Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss.

Die erste Selbstbedienungsschleuse auf dem Winschoterdiep. Ich glaube, die Bastelanleitung ist verständlich. Wie man sieht, haben wir auch schon "Rot-Grün", sind also die nächsten, die in die Schleuse einfahren werden. Weit und breit war ohnehin niemand.

Direkt nach der Schleuse biegen wir über steuerbord ein in die Westerwoldsche Aa mit festen Brücken von 2,50m Höhe. Kein Thema für unser Hausboot, nur die Funkantenne musste gelegt werden. Ansonsten sahen wir ungefähr eine Stunde die folgenden Bilder: Deich - Deich mit Schaf - Deich mit mehreren Schafen - Fluss - Fluss mit Wasservögeln - Deich mit Schaf und darauf gelandeten Vögeln - Deich ganz nackig - Wolken - Schäfchenwolken - Deich mit Schaf und Schäfchenwolken - eine Brücke - einen Angler - nichts - ein UFO - zwei UFOs - meine Chefin - meine Chefin im UFO - ein gelandetes UFO mit Schaf und einer Formation Möwen mit entsicherten Bordkanonen - ein Baum - zwei Baum - ein Fischreiher auf dem Feldherrnhügel - viele Möwen - nix mehr mit Möwen - ein UFO mit meiner Chefin, das in einer Schäfchenwolke verschwindet - das Steinfurter Finanzamt - das Steinfurter Finanzamt nach einem Angriff von Möwen mit entsicherten Bordkanonen...

Nach der Einfahrt in das Veendiep wurde es selbst für unser Schiff sehr schmal. Die Wassertiefe betrug im Durchschnitt 0,90m. Da hatten wir immerhin noch 20cm unterm Kiel. Aber was für eine Landschaft, eine Ruhe und eine Idylle...

Im Schritttempo über das Veendiep. In 2006 haben wir diese Region per PKW abgefahren, um zu sehen, was uns hier erwartet. Wir bewegen uns zwischen den Dörfern Vriescheloo und Bellingwolde. Die Hauptverbindungsstrasse zwischen den beiden Dörfern ist ein richtiger Architekturboulevard mit monumentalen Bauernhöfen. Als das Gebiet Ende des 19. Jahrhunderts durch die Landwirtschaft einen enormen Wohlstand erreicht hatte, konnten die Großbauern es sich erlauben, ihre Bauernhöfe als wahre Kunstwerke zu gestalten. Jeder versuchte, den anderen mit enormen Statuen, vielen Bleiverglasungen und anderen Dekorationen zu übertrumpfen.

Auf Höhe der Ortschaft Bellingwolde. Hier findet man durchaus großzügige Anlegemöglichkeiten.
Vielleicht sollte ich es noch einmal sagen: Wir sind tatsächlich hier langgefahren.

Montag, 13. September. Wir haben den Hafen von Bourtange erreicht, der an den Campingplatz "´t Plathuis" grenzt. Strom an den Steigern, sanitäre Anlagen auf dem Campingplatz. Netter Empfang an der Rezeption. Ein wenig verwunschen scheint es hier zu sein.

Viel Platz in der Nachsaison und Nachts sehr ruhig.

Nach dem Abendessen wollten wir noch kurz einen Spaziergang zur Festung Bourtange machen. Nun hatte ich meine Kamera nicht dabei, übrigens eine CANON EOS 1000, so dass ich an dieser Stelle ein paar Fotos aus 2007 einbauen möchte (noch mit einer analogen CANON T-70 geschossen).

Bourtange
Im Jahre 1580 gab Willem von Oranien den Auftrag, auf einem Sandrücken mitten im Moor, an der Grenze zu Deutschland ,ein Fort anzulegen. Das war der Anfang von Bourtange. Im Jahre 1593 wurde durch Willem Ludwig von Nassau mit dem Bau der Festung begonnen. Zwischen den Jahren 1593 und 1851 war Bourtange eine wichtige Festung. Als die Festung 1851 aufgegeben wurde, entstand hier ein Bauerndorf. Nur eine Anzahl von Häusern erinnerte noch an den Ruhm von früher. In den 60er Jahren ergriff die Gemeinde Vlagtwedde die Initiative, die Festung zu rekonstruieren und wieder aufzubauen. Dieser Plan wurde zwischen 1967 und 1992 ausgeführt. Wälle wurden erneut aufgeschüttet, Gräben gezogen und Kasernen errichtet. Besucher von heute fühlen sich in Bourtange Jahrhunderte zurückversetzt in die damalige Zeit. Innerhalb des Festungsfünfecks liegt als touristische Attraktion das heutige Museumsdorf Bourtange.

Die Festungsstadt ist von Festungswällen und Wassergräben umgeben, durch Brückenwächterhäuschen geschützt und beherbergt typische zeitgenössische Wohnhäuser, wie das „Capiteynslogement“, das Haus des Proviantmeisters („Convooimeester“) und andere Offiziershäuser, Gewürzhäuser, die Kirche, verschiedene Mühlen, die Verteidigungsanlagen samt Kanonen und Schießpulverlager sowie die „Secreten“ (frühere Toilettenanlage).

Weiterhin steht in Bourtange auch die aus dem Jahr 1842 stammende, restaurierte Synagoge, die bis zum Zweiten Weltkrieg als Gebetshaus für die in der Gegend lebenden Juden diente. Im Krieg wurden alle jüdischen Einwohner Bourtanges deportiert; nur zwei von ihnen kehrten zurück. Das Gebetshaus ist als Synagogenmuseum eingerichtet und stellt die einzige gut erhaltene Synagoge entlang der niederländisch-deutschen Grenze dar.

Neben einem Informationszentrum, diversen Museen, Restaurants und Cafés ist in den „Festungslogementen“ auch ein Hotel untergebracht.

Soweit der kleine Nachtrag aus dem Jahre 2007. Hier sieht es übrigens in 2010 noch genauso aus. Innerhalb von drei Jahren wird sich eine jahrhundertealte Festung schließlich nicht wesentlich verändern.

Draußen ist es mittlerweile sehr kühl geworden. Wir haben uns gemütlich eingerichtet. Die Heizung läuft, der Fernseher auch, Eva hat die Teelichter entfacht, ich habe was bequemes an, dazu noch ein Fläschchen Wein - Gute Nacht John Boy...

Mittwoch, 15. September. Die Regentour beginnt. Es schüttet ununterbrochen, dazu viel Wind, der das manövrieren nicht einfacher macht. Aber schließlich haben wir eine Bugschraube. Heute geht die Etappe von Bourtange über den Ruiten Aakanaal zurück nach Ter Apel, wo wir unsere kleine Hollandrundfahrt begonnen haben. In 2006 haben wir diese Strecke zum ersten Mal befahren und uns damals den Schlüssel gekauft, mit dem im gesamten Groninger Gebiet die Brücken und Schleusen bedient werden können. Bei der Ausfahrt aus Bourtange regnet es bereits. Unsere drei synchronisierten VETUS-Scheibenwischer funktionieren, bis auf den rechten, der nicht fest auf der Welle sitzt. Das behebe ich zwischendurch, während einer Wartezeit vor einer unwilligen Schleuse. In Lingen-Hanekenfähr gibt das Ding blöderweise komplett den Geist auf.

Der Schlüssel zum bedienen der Brücken und Schleusen funktioniert zwischen 8 Uhr und 21 Uhr. In 2006 hatten wir durchgehend Sonnenschein, nun das genaue Gegenteil. Ein paar Probleme gab es auch. Eine Brücke ließ sich zwar absperren (Schranken runter), löste sich aber mithilfe des Elektromotors nicht aus der Verankerung, damit diese gedreht werden kann. Also anrufen, die Telefonnummern stehen jeweils auf einer Tafel an jedem Bauwerk. Bei der störrischen Brücke hat es ungefähr eine Stunde gedauert, bis ein Mitarbeiter kam und das Problem sofort behob. An der folgenden Schleuse war bereits nach einer Viertelstunde ein Mitarbeiter der Gemeinde vor Ort. Die Schleuse wollte nämlich nicht auf Grün umschalten, so dass wir den Schleusenvorgang hätten in Gang setzen können. Wie dieses gesamte System funktioniert, wurde mir von diesem sehr freundlichen Mitarbeiter genaustens erklärt. Fazit: Trotz Dauerregen eine schöne und sportliche Strecke.
Am folgenden Tag mussten wir durch die "1e verlaat", um wieder auf den Haren-Rütenbrock-Kanal zu gelangen. Dort wurden wir gefragt, "ob gestern noch alles geklappt hätte?" Ich fragte dann zurück, ob sich unsere Tour schon allgemein herumgesprochen hätte. Nun ja, in diesem Fall war er der Chef und koordinierte die entsprechenden Einsätze. Noch einmal großes Lob von uns an diesen tollen Service.

Viel Regen und die Wartezeit überbrücken.

Mittwoch, 15. September. Nach einer weiteren Nacht im Yachthafen "De Runde" in Ter Apel geht es nun wieder Richtung Deutschland. Wir machten vor der "1e verlaat" fest, denn wir warteten noch auf zwei Schiffe, die ebenfalls über den HRK zurück in die Heimat wollten. Eines der Schiffe scherte aber auf deutscher Seite aus dem Konvoi aus, da sie noch einkaufen wollten. Die trafen wir später im Harener Yachthafen wieder. Auf dem anderen Schiff namens SPEEDY, befanden sich Hubert, der das Schiff nahe Zuidlaren gekauft hatte und Wolfgang, der bei dem Überführungstörn half. Ihr Problem war nun die ständige Überhitzung des Motors, so dass sie auf dem HRK kurz anlegen mussten und wir überlegten, ob wir sie bis Haren schleppen können. Allerdings erreichten uns an diesem Tag auch die Ausläufer der Sturmböen, die sich tags zuvor schon an der Nordsee ausgetobt hatten.
Was nun die SPEEDY betrifft: Wir schafften es dann doch gemeinsam bis nach Haren. Dort bestellten sie sich einen Mechaniker, der das Problem wohl nicht so ganz behob. Am folgenden Tag fuhren wir gemeinsam die Strecke von Haren bis Lingen-Hankenfähr, wobei die beiden noch weiter fahren wollten, da sie am Wochenende in Senden erwartet wurden. Zwei Schleusen weiter legten sie dann an und kamen am nächsten Tag noch bis zur Liegestelle hinter der Schleuse Altenrheine. Ab hier verzichteten sie auf eine Weiterfahrt aufgrund des Problems mit der hohen Motortemperatur.

Einfahrt in Haren vom Haren-Rütenbrock-Kanal kommend.
Vorbei am Schifffahrtsmuseum.

So eine Gemeinheit. Ein Strafmandat von der WSP Meppen. Und dabei fahre ich eigentlich so was von vorbildlich...Was war passiert? Auf Höhe der Hase-Hubbrücke in Meppen gilt allgemeines Linksfahrgebot auch für Kleinfahrzeuge (also uns). Daran habe ich mich strikt gehalten (Die SPEEDY folgte uns übrigens). Kurz vor Aufhebung des Linksfahrgebotes kam mir ein Berufschiff entgegen und zwar noch auf der Backbordseite. Das heißt zuerst einmal: Kollisionskurs (wo wir sicherlich den kürzeren gezogen hätten!). Ich ging dann wieder auf die rechte Seite, allerdings ohne mich über Funk mit dem Berufsschiff abzusprechen. Letztendlich ist nicht passiert, nur hinter dem Berufsschiff tauchte ein Schiff der Wasserschutzpolizei Meppen auf, das ich nicht gesehen hatte. Die wendeten dann und baten uns, im Unterwasser der Schleuse Meppen einmal längstseits zu gehen. Und diese Aktion kostete dann 20 €. Für Hubert übrigens auch, der mir stumpf nachgefahren war. Die Schleuse Meppen wartete aber anschließend noch auf uns, so dass wir mit mehreren Booten die Reise bis Lingen fortsetzen konnten.

Noch einmal am Steg beim Hotel zum Wasserfall in Lingen-Hankenfähr, Donnerstag 16. September. Am folgenden Tag fuhren wir wieder bis Bergeshövede am Mittellandkanal und absolvierten die letzte Etappe bis Münster-Gelmer am Samstag, den 18. September.

LANCELOT und EXCALIBUR wieder in trauter Eintracht am Steg des Bootscenter Münster.